Nachfolgend zeige ich, wie man sozusagen schon unterwegs und ohne viel Herumgeschnippel Pilzlederläppchen in ganz besonderer Optik gewinnen kann, die noch dazu sehr abriebfest sind.
Das ist das Objekt der Begierde: Ganz junge Minizunders, die erst vor wenigen Tagen aus der Rinde hervorgebrochen sind, mit sehr dichten silbrigen Deckhyphen, die sich noch nicht zu einer Kruste verfestigt haben. In diesem Stadium besteht das Pilzchen ausschließlich aus Trama und Myzelialkern.
Der Knubbel lässt sich leicht vom Stamm ablösen. Man sieht im Inneren den Myzelialkern, die Trama kann man im Bild nur da sehen, wo sie abgerissen ist, ansonsten liegt sie noch hinter der Anwachsfläche verborgen.
Durch Druck wird die Außenseite dunkel, und so ist später auch die Farbe des Pilzleders.
...und schon beginnt die Verarbeitung. Mein dunkel verfärbter Daumennägel geht übrigens nicht auf das Konto des Zunderchens, sondern rührt vom Spitzwegerichsaft her, den ich auf mindestens 10 Mückenstiche aufgetragen hatte.
Hier sieht man, wie leicht sich der Myzelialkern einfach herausschälen lässt, aus dem umgekrempelten Fruchtkörper. Man braucht nicht mal ein Messer, der Großteil der Verabeitung lässt sich tatsächlich schon unterwegs erledigen.
Das so gewonnene Ausgangsmaterial von der Innenseite. Natürlich schnippelt man später noch die braunen Fasern weg, aber sie behindern das Dehnen des Lederstückchens nicht, alles ist innen weich und elastisch.
Die Außenseite ist jetzt dunkelbraun geworden, weil die hellen Hyphen nun zusammengedrückt wurden. Der Pilz ist im Jungstadium so saftig, dass man braunen Saft herauspressen kann! Hilft auch prima bei frischen Mückenstichen oder kleineren Schnittwunden. Der Saft schmeckt übrigens leicht säuerlich und ganz angenehm.
Kleiner Exkurs in die Welt der Sinne: Wenn ich im Wald bin und Zunders oder Anderes sammle, kaue ich oft auf der weichen saftigen Zuwachszone eines frisch geernteten Zunderpilzes herum. Es gibt auch kaum etwas samtigeres und haptisch Schöneres in der Natur, als diese neuen Zuwachszonen, sie fühlen sich dermaßen zart und seidig an, auf den Lippen oder Wangen, ein sensitives Erlebnis der besonderen Art für Freunde des feinsinnigen Fühlens.....boaaaaahhhh.....
Auch junge Schmetterlingstrameten eignen sich wunderbar als Waldkaugummi. Und falls man gerade Probleme mit dem Magen haben sollte, wäre ein Stück Birkenporling das Mittel der Wahl. Geschmacklich zwar extrem bitter, feinsinige Fühler werden es schnell wieder ausspucken, fürchte ich, aber es hilft sofort. Und solltest Du vor lauter Sammeleifer ins Schwitzen gekommen sein, was natürlich weitere Mücken anlockt, bringt die feuchte kühle Porenfläche eines vitalen Zunders sehr angenehme Erfrischung auf der Haut, riecht auch unbeschreiblich gut und Mücken finden den Duft weniger attraktiv. Ich liebe den Geruch nach Aprikose und Wald, den ein saftiger Zunderschwamm nach dem Pflücken hat. Walderleben mit allen Sinnen, Glück pur!
Hier sieht man ganz oben, dass das Pilzchen doch schon an Nachwuchs dachte und erste Absätze zur Röhrenbildung da sind. Die Außenseite ist zwar noch weich, aber nicht elastisch genug zum Dehnen. Unterwegs -hier beim Warten auf die S-Bahn - piekse ich Stück für Stück mit dem Daumennagel in die Außenschicht, sie wird dadurch nachgiebig genug, zuhause würde ich mit dem Messergriff darauf herumklopfen. Auch ein heißer Wasserstrahl im Waschbecken würde reichen, um das Material dehnbar zu machen, es zerfließt danngeradezu in der Hand.... Dann noch harte Stellen, wie z.B. kleine Rindenstücke von der Anwachsstelle, wegschneiden, Dehnen und Diagonalziehen, und schon hat man Pilzleder.
Das "Rohleder" von der Innenseite. Zuhause wird es noch versäubert und weiter gedehnt. Da die Außenschicht des Knubbels nicht abgeschnitten wurde, ist das Material durch die dicht verwobenen äußeren Hyphen extrem dehnbar, ohne dass es auffasert oder reißt, praktisch bis auf Papierdicke. Dadurch kann man wirklich große Lappen gewinnen, besonders wenn man das Material nach dem ersten Dehnen trocknen lässt, es dann nochmals nass macht und erneut dehnt und streckt.
Nach dem endgültigen Trocknen muss man es aber sehr vorsichtig weich walken, da das Pilzleder von ungeschälten Pilzen erst mal richtig starr und brüchig trocknet. Ich rolle es vorsichtig wie eine Zigarre zusammen, notfalls schneide ich ganz starre Ränder etwas ab. Dann wird gedrückt und in den Handflächen gerollt, geknetet, bis die Fasern wieder weich werden.
Das so gewonnene Pilzleder ist federleicht und zart, dabei aber abriebfest und sehr stabil.
.. und das ist das Ergebnis: Wunderbar gemasertes, ganz dünnes aber robustes und an Schlangenleder erinnerndes dekoratives Zunderleder vom Feinsten. Ich verstärke es generell mit Bügelflies auf der Innenseite, damit mehr Masse herkommt, und verarbeite es mit einer mit Latex aufgeklebten Lage aus verlourartigem "normalen" Zunderleder auf der Innenseite der Armbänder.
Hier noch ein Hinweis für geruchssensible Menschen - in diese Kategorie gehöre auch ich: Die Zunderbabys sind ja noch ganz frisch und weich und statt der Kruste haben sie eine Außenschicht, die sozusagen voll im Pilzsaft steht. Und der hat einen ausgeprägten Eigengeruch. Wenn man die Pilzchen nicht am gleichen Tag verarbeiten kann, beduften sie die Wohnung mit einer Geruchsnote zwischen nasser Hund und nicht mehr ganz frischem Hering, und neues Myzel spießt weiss auf der Außenseite.
Und dieser Geruch bleibt auch dem Pilzleder aus den Zunderbabies längere Zeit erhalten, sofern man, wie eben beim Pilzleder-to-go, die Außenschicht nicht wegschneidet und nicht sofort verarbeitet und trocknet. Es riecht nach Tier, speziell denen, die im Meer leben. Es fischelt, würde man in Bayern sagen.
Aber: Es gibt Abhilfe.......
Ein Esslöfföl Natron auf einen Liter kochendes Wasser, die Pilzlederstücke eine Minute darin leicht kochen und die Sache ist erledigt. Chitin ist ja erstaunlich kochfest, die Teile fühlen sich nach dieser Prozedur sogar etwas gegerbt an und sind sehr stabil. Wichtig ist natürlich das anschließende gründliche Spülen in kaltem Wasser.
Danach ist das das Pilzleder bereit für die Verarbeitung, es riecht dann so wie normales Zunderleder angenehm waldig.
Das Foto zeigt Zunderbabyleder direkt nach dem Kochen in Lauge und Abspülen. Es hat die Form gehalten und schaut aus wie nasses Tierleder, es fühlt sich auch so an.
Nach dem Trocknen wird es erst mal steinhart sein und muss dann geduldig zusammengerollt, gedrückt und geknetet werden. Dann ist es aber wunderbar fein und belastbar. Die Innerseite ist samtig, die Außenseite aber glatt, da sie aus der dichten Hyphenschicht der Pilzhaut besteht.
Ich verwende es für Applikationen oder die Oberschicht auf Armbändern, man kann diese auch zusätzlich mit Lack überziehen, um den Kontrast noch zu erhöhen. Die Unterschicht, also den Teil, der auf der Haut anliegt, mache ich aber immer aus dem samtig-weichen normalen Zunderleder, bei dem ich die Kruste weggeschnippelt habe. Man kann hierfür besonders Teile aus dem früheren Knubbel-Bereich älterer Zunders verwenden, denn diese sind sehr velourartig, wie Samt, dafür aber weniger abriebstabil. Auf den Innenseiten macht das aber nix, und es fühlt sich einfach toll an.
linde_br